im Jahreskreis zur Leinernte
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„Es hatte etwas Natürliches, als wir uns an den Händen fassten, einen tiefen Atemzug nahmen und gemeinsam das Eröffnungsgebet sprachen. Es tat gut, den festen Händedruck zu spüren, den stillen Moment nach ,gesegnet sei es‘. Ich spürte, wir waren bereit für das Blót!“ ~ Raphael
zusammen mit den Gottheiten
Dieser Text ist ein kleiner Einblick und eine persönliche Beschreibung von einem klassischen Blót, einem skandinavischem Jahreskreisfest, wie wir es frei nach animistischer Ausrichtung 8 Mal im Jahr bei uns in Eberswalde auf unserem Platz feiern. Dieses Mal feierten wir am 9. August – mitten in der Sommerpause – traditionell zum Vollmond, das nächste Fest nach Sommersonnenwende.
Thor auf dem Stallr, wie er im Alltag auf dem Platz steht
Frey wartet nach dem Aushärten auf seine Reise zum Festplatz
jedes Fest ist anders
Es ist immer wieder spannend, nicht nur, dass jedes der 8 Feste seine eigene Zeitqualität hat, vor allem sind die Feste darin auch sehr unterschiedlich, wenn wir individuell schauen. Zum Beispiel die Teilnehmenden: wir waren bei diesem Fest 3 Feiernde und zum Festtrunk/Sumbeln kam Mela dazu. Und jede speziell eingeladene Gottheit beeinflusst die Energie und Ausrichtung des Festes: Das Spektrum welches sich durch Sif, Thor und Frey zeigte war friedlich, ruhig und gediegen.
wie es sich zeigte
Schon beim Vorbereiten hielten wir uns an das aus der Anderswelt gesprochene Wort der Götter „Lasset euch Zeit, es soll ein gemütliches Fest werden”. Wir konnten uns gut daran halten, wir gingen entspannt um mit verpassten Bus, noch zu erledigende Paketabholungen und entspannten Platzvorbereitungen – normalerweise macht mich das ganz unruhig. Doch mit der Ansage konnte ich das.
Als wir zu dritt mit den 4 Elementen den Kreis zogen, fing bei mir der erste Balanceakt an, da ich merkte: Feuer und Luft gleichzeitig in den Schutzkreis fließen zu lassen, war gar nicht so einfach, aber wozu haben wir 2 Hände? Ich konzentrierte mich auf die kleine Glut im Räucherkelch der einen Hand und die Luft, die ich mit Hilfe meines Fächers in der anderen bewegte. Und ich freute mich über die neue Räuchermischung, die ich bei lieben Kolleg’innen aus Leipzig erstanden habe!
Nun, als wir uns gereinigt hatten und in den Kreis stiegen, war es dran die Wächterzwerge zu rufen um den Schutzkreis zu verstärken. Witzig war es, dass gar nichts untereinander besprochen war … Manoush teilte ihren Impuls mit, den ersten Wächterzwerg anzurufen – und meine innerere Hagazussa (nordische Hexe) leuchtete auf wie ein kleiner Stern und freute sich über die Herangehensweise als hierarchiefreie, magische Gruppe! Erstmal spürten wir lange, bevor wir ins Horn bliesen. Das war eine super Übung für das magische Gespür. Es folgten organisch unsere Anrufungen zu den Wächterzwergen, den wir auch Zeit ließen anzukommen und zu erspüren. Sie reiten sich in unseren Schutzkreis ein und die Energie stieg an, bis Nordri der letzte der Wächterzwerge den Kreis komplett machte. Mit jedem Zwerg wurde die Energie dichter, gefüllt und gehalten. Ich war stolz auf unsere Anrufung!
will das Feuer brennen?
Marcel hatte das Feuernest gebaut. Es war vielversprechend, bestehend aus Fichten- und Kiefernästen sowie trockenen Wurzeln, die gut in Flammen aufgehen, in der Mitte gab es schnell entflammbare, samtige Distelsamen sowie Rohrkolben (was immer geht).
Nun ging es daran, den Funken zu fangen und wir probierten alle mal. Einige Male ist unser verkohlter Stoff (BlackJack), der den Funken fangen sollte, so zerfleddert, dass wir öfters einen Neuen brauchten. Die Wertschätzung für den Funken war um so größer als endlich der Funke die Glut entzündete! Wir bliesen kurz in das Nest und es brannte hervorragend in der Mitte der Feuerstelle. Das Feuerkind war geboren und eingeladen, für uns ein Kanal nach Asgard zu sein. Mit Gebeten, Liedern, Weihung, Zusprache und natürlich etwas Baldurs Blut (Johanniskrautöl von der Sonnenwende) wurde es das rituelle Feuer des Festes.
Anrufung mit Runentönen
Jetzt war es an der Zeit, die Gäste einzuladen, die Gottheiten. Alle außer mir machten Freestyle und intuitiv fingen wir mit unserer Ehrngast Sif, der Kornmutter an. Ihre angefragte Rune war Sowilu. Wir ließen uns auf eine spontane Körperspürübung ein – vom Becken, zum Bauch, zur Brust, zum Kopf – den Ton für Sowilu zu finden. Langsam kam aus den 2 Männern auch ein Ton heraus, leicht dunkler, dennoch inbrünstig und zielgerichtet.
Nach dem Abebben des Klangteppichs war klar: jetzt ist Thor dran und das mit Thurisaz! „Uff, mal schauen was da geht …“ Es war sehr spannend, wie der Runenlaut durch meinen Körper fuhr, und es mir so gut tat, diese Rune zu tönen, voller Abgrenzung und das Ich nach Außen zu grenzen. Es war wie eine Welle von Beats, die anfing mit Kraft und Bewegung herauszuwummern. Wir kamen in eine besondere Art von Trance, über die wir später uns auch nochmal austauschten. Die letzte Rune für Frey war Fehu, welche die vorherige Thurisaz-Kraft wunderbar aufrichtete und golden für Fruchtbarkeit und Weite aufspannte. Es fühlte sich erholsam und leicht an, die Rune im Anschluss zu tönen, irgendwie passend im Dreiklang dieser Gottheiten.
der Stallr von Thor und Sif in der Nacht nach dem Ritual
Mela weiht ein Trinkhorn (Bild vom Jahresanfang)
die Begegnung mit den Gottheiten
Wir waren bereit. Ich fing mit der Maultrommel an, die Rasseln und Trommeln folgten. Ich spürte leichte Unsicherheit und ging erstmal im Kreise durch den Raum, um das Feld mit meinem Energiesystem zu spüren. Es war Thor, bei dem ich hielt und wo die Dankbarkeit für Regen floss, wo ich Bier aus dem Kelch dem Boden opferte und selbst mit dem großen Bruder im Herzen trank. Es hielt mich noch im Dank, als ich zu Sif am gleichen Stallr (nordisch für Altar) sprach und ihr für Frucht, Kräuter und Erfahrungen des Jahres dankte. Ich nahm etwas von den vorbereiteten Zedernspitzen und begab mich ans Feuer im Zentrum, um diesen Dank mit einer Handlung zu bekräftigen. Fasziniert betrachtete ich was im Feuer geschah und mich zum Rhythmus der Gruppe zurückführte. Wir wurden stiller mit der Zeit und ich merkte, wie wir auch durch diese Stille in unserer Trance bleiben konnten. Es war nicht ganz so einfach, denn das lokale Volksfest vom Finower Festplatz schallerte mit seiner quirligen Musik immer wieder durch. Ich konzentrierte mich auf das Jetzt und gleichzeitig darauf, die Trance zu halten – Frey schenkte mir Ruhe und Frieden, alles so sein zu lassen, wie es gerade war. Nach einiger Zeit und walten mit dem Feuergeist, waren wir fertig mit den persönlichen Gesprächen mit Gottheiten und eröffneten Festmahl!
Aushilfe zur rechten Zeit
Gleichwohl sich Mela eigentlich eine Auszeit genommen hatte, fragte sie uns im Vorhinein, ob es möglich sei, zum Festtrunk dazuzustoßen. Das funktionierte gut, da Sie respektvoll vor dem Schutzkreis darauf wartete, abgeräuchert zu werden und dann erst achtsam den Ritualraum betrat. Mit fröhlichem Interesse sprachen wir noch – wie von einer der Gottheiten beauftragt – über das einfache Leben. „Was ist das eigentlich?” fragten wir uns. „Da, wo Mensch nahe an dem ist, wo die Natur für einen sorgt – dass Mensch nah an den Ressourcen dran ist, die der Mensch zum Leben braucht.”
Ich merkte plötzlich wieder meine Zahnschmerzen (spannend war, dass diese während der Gottheitenbegegnung gar nicht da waren) und auch meine starke mentale Beeinträchtigung davon. So ging der erste süße Met voll auf mein System und ich setzte mehrere Runden aus, zum Glück war Mela zur Stelle und hielt mit mir die Energie hoch.
Der flackernde Schein unserer gut gehüteten Feuerstelle, die wunderbaren Gäste und ihr Stallr erhellten unser Herz – so wie unsere Gebete für Frieden, Freude und Dank die Nacht besungen. Nachdem ich mich noch für eine sanfte Abrufung gesammelt hatte und alles erinnerte, was sich gezeigt hatte, schlossen wir den Kreis. Mela gab in Geiste der Einfachheit die Opferschale in die Erde. Wir blieben noch ein wenig am Feuer. Die Nacht war lau und süß.
~ Raphael
Eine vollständige Übersicht über ein Blót, wie und warum wir es heute feiern, Lieder, Bilder aus vergangenen Festen sowie Termine findest du hier: Jahreskreisfeste
Das jeweils kommende Fest kündigen wir in unserem Veranstaltungskalender an (für Einladungen zu vergangenen Festen etwas runterscrollen) sind sowie in unserer Telegrammgruppe.
Wir freuen uns, wenn du in unseren Kreis kommen willst!